Rheinbacher Martinslieder

Seit dem Jahr 1903 wird der große Martinszug in der Rheinbacher Innenstadt durch den Löschzug Rheinbach der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Rheinbach organisiert.
Der Martinszug, welcher in der Regel am Martinsabend (10.11.) durch die Straßen der Glasstadt zieht, hat somit eine über 115-jährige Tradition und ist der älteste im gesamten Rhein-Sieg-Kreis.
Auf dieser Seite haben wir einige Informationen zur Historie des Rheinbacher Martinszuges zusammengetragen:

Der Rheinbacher Musiker und Komponist Wilhelm Bendermacher (1850–1934), Gründungsmitglied der Feuerwehr Rheinbach und Leiter der damaligen Feuerwehrkapelle, schrieb für den Martinszug mindestens drei Martinslieder.
Die beiden in Mundart getexteten Bendermacher-Lieder „Sank Märte es ad wedde he“ (Loft, Könder, loft) sowie „Dörch all die Stroße trecke mir“ werden bis heute in verschiedenen Varianten im gesamten Rheinland gesungen.
Desweiteren ist noch das hochdeutsche Lied "Heiliger Martinus" von Wilhelm Bendermacher überliefert.
Diese drei Martinslieder sind im folgenden abgebildet und auch in einem Liedblatt zum Herunterladen zusammengefasst:
Musik & Text: Wilhelm Bendermacher | Notation: nach Klaus Lung

Sankt Martin ist schon wieder hier! (Lauft, Kinder, lauft)
Die folgende Übertragung ins Hochdeutsche erhebt nicht den Anspruch einer wörtlichen Übersetzung. Vieles wird im Dialekt urwüchsiger, aber auch treffender beschrieben.
- Sankt Martin ist schon wieder hier! Lauft, Kinder, lauft.
Wenn er uns zuruft, „Ich bin schon hier!“ Lauft, Kinder, lauft.
Und die Laterne in der Hand und die Kerze angezündet
und die Straße hoch und runter. Lauft, Kinder, lauft. - Sankt Martin war ein guter Mann. Lauft, Kinder, lauft.
Er hat auch alle Kinder gern. Lauft, Kinder, lauft.
Und die Laterne… - Sankt Martin wollen wir ehren. Lauft, Kinder, lauft.
Mit Laternen und St. Martinsfeuer. Lauft, Kinder, lauft.
Und die Laterne… - Sankt Martin ist für heute vollbracht. Lauft, Kinder, lauft.
Darum müssen wir jetzt nach Hause gehen. Lauft, Kinder, lauft.
Und die Laterne…
Musik & Text: Wilhelm Bendermacher | Notation: Thomas Knoch

Durch alle Straßen ziehen wir
Die folgende Übertragung ins Hochdeutsche erhebt nicht den Anspruch einer wörtlichen Übersetzung. Vieles wird im Dialekt urwüchsiger, aber auch treffender beschrieben.
- Durch alle Straßen ziehen wir, Sankt Martin, Sankt Martin.
Mit Laternen und Sankt Martinsfeuer, Sankt Martin, Sankt Martin.
Wir verehren dich, du wirst uns wohl anhören.
Sankt Martin, Sankt Martin, Sankt Martin, Sankt Martin. - Zu Lebzeiten hattest du eine hohe Stellung, Sankt Martin, Sankt Martin.
Du zogst mit Soldaten durch die Welt, Sankt Martin, Sankt Martin.
Am Wegesrand stand still und zusammengekauert ein armer in Lumpen gekleideter Mann.
Sankt Martin, … - Sofort zogst du das Schwert aus der Scheide, Sankt Martin, Sankt Martin.
Den Mantel hattest du schnell geteilt, Sankt Martin, Sankt Martin.
Ein Mantelteil hingst du dem Mann über seine Kleidung (Lumpen).
Sankt Martin, … - Was du gemacht hast, gilt für Groß und Klein, Sankt Martin, Sankt Martin.
Darum soll nur keiner geizig sein, Sankt Martin, Sankt Martin.
Die für den Zug was spenden, werden oben (im Himmel) angesehen.
Sankt Martin, … - Es werden von uns auch diejenigen verehrt, Sankt Martin, Sankt Martin.
Die diesen Zug angeführt haben, Sankt Martin, Sankt Martin.
Die keine Mühen scheuen, damit sich die Kinder freuen.
Sankt Martin, … - Wenn wir durch den Dreck gelaufen sind, Sankt Martin, Sankt Martin.
Dann bekommen wir auch einen Martinswecken, Sankt Martin, Sankt Martin.
Sankt Martin höre, wir bitten dich, backe sie aber nur nicht zu klein.
Sankt Martin, …
Musik & Text: Wilhelm Bendermacher | Notation: nach Klaus Lung

Der älteste Martinszug im Rhein-Sieg-Kreis
Im August 1903 übernahm Louis Pfahl als erster Hauptmann die Leitung der Feuerwehr Rheinbach. Auf seinen Vorschlag hin kümmerte sich die Feuerwehr am Martinsabend 1903 erstmals um die Organisation eines geordneten Martinszuges.
Der erste Martinszug zog am 10. November 1903 ab halb fünf Uhr abends vom Kriegerdenkmal am sogenannten Claraplatz (heute Wilhelmsplatz) unter anderem über die Aachener-, Bahnhof-, Krieger-, Haupt-, Weiher-, Bach- und Koblenzerstraße. Am Ende des Zuges wurde am Kriegerdenkmal die Kaiserhymne „Heil dir im Siegerkranz“ gesungen.
Schon damals wurde der Martinszug durch Spenden der Rheinbacher Bürgerinnen und Bürger finanziert. Seit 1904 erhalten die Kinder nach dem Zug einen Wecken, damals „Korinthenbrötchen“ genannt. Ab 1905 wurde auf das Singen der Hymne am Ende des Martinszuges verzichtet.
Bis heute wird der Martinszug in Rheinbach vom Löschzug Rheinbach der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Rheinbach organisiert. Der Rheinbacher Martinszug ist somit mit seiner über 115-jährigen Geschichte der älteste Umzug zu Sankt Martin im gesamten Rhein-Sieg-Kreis.
Rheinbacher Martinslieder – ein lebendes Stück Rheinbacher Geschichte
Unterstützt wurde Feuerwehrhauptmann Louis Pfahl bei der Etablierung des geordneten Martinsbrauchtums tatkräftig von Wilhelm Bendermacher. Dieser war seit der Gründung der Rheinbacher Wehr im Jahr 1879 aktiver Feuerwehrmann. Zugleich leitete der Musiker und Komponist die Feuerwehrkapelle und rief 1895 die Gro-Rhei-Ka Narrenzunft Prinzengarde 1895 e.V. ins Leben.
Wilhelm Bendermacher schrieb eigens für den Rheinbacher Martinszug neue Martinslieder. Schon für das Jahr 1903 wird berichtet, dass er die neuen Lieder mit den Rheinbacher Kindern einstudiert hat. Um welche Lieder es sich genau handelt, ist nicht überliefert. Das Lied „Heiliger Martinus“ wurde von Bendermacher vermutlich im Jahr 1905 komponiert; zudem finden sich noch im Jahr 1930 Notizen über ein neues Martinslied von Wilhelm Bendermacher.
Der inzwischen zum Ehrenkapellmeister ernannte Bendermacher verstarb am 21.02.1934.
Bis heute bekannt sind neben der erwähnten Komposition „Heiliger Martinus“ die beiden in Mundart getexteten Bendermacher-Lieder „Sank Märte es ad wedde he“ (Loft, Könder, loft) sowie „Dörch all die Stroße trecke mir“, welche bis heute in verschiedenen Varianten im gesamten Rheinland gesungen werden – ein lebendes Stück Rheinbacher Geschichte.
Organisierte Martinszüge in den Rheinbacher Ortschaften
Auch in den Rheinbacher Ortschaften haben die Martinszüge eine lange Tradition. In Ramershoven wurde der erste Martinszug im Jahr 1908 von der Feuerwehr organisiert. Seit 1927 gibt es in Niederdrees einen Martinszug, welcher seinerzeit durch die dortige Feuerwehr ins Leben gerufen wurde.
In Neukirchen wurde der Martinszug von der dortigen Schule erstmals im Jahr 1924 organisiert; ein Jahr später veranstaltete auch die Schule in Wormersdorf einen Umzug zum Martinsfest.
In Oberdrees zeichnete ab dem Jahr 1928 die Karnevalsgesellschaft Oberdrees für den Martinszug verantwortlich.
Der Beginn der Durchführung eines geordneten Martinszuges in Hilberath ist unbekannt. In den Quellen dokumentiert ist allerdings, dass die Organisation im Jahr 1970 von der Grundschule auf die dortige Feuerwehr überging.
Bis heute werden die Martinszüge in Rheinbach, Hilberath, Queckenberg, Ramershoven und Wormersdorf durch die örtlichen Löscheinheiten der Freiwilligen Feuerwehr Rheinbach organisiert und viele weitere Züge in anderen Rheinbacher Ortsteilen von den dortigen Feuerwehrkameradinnen und -kameraden begleitet.
Am 25. Oktober 2018 wurde die Martinstradition in das Inventar des immateriellen Kulturerbes von Nordrhein-Westfalen aufgenommen – ein Kulturerbe was Jahr für Jahr von der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Rheinbach gelebt wird.
Quellen
Klaus Lung, Heiliger Martinus. Eine kleine Martinsbroschüre mit Liedern, Lebensgeschichte und Brauchtum. Flerzheim 2004.
Dietmar Pertz, Vor 100 Jahren: Erster organisierter St. Martinszug in Rheinbach. Zur Reform des Martinsbrauchtums in Rheinbach und seinen Ortschaften im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. In: kultur & gewerbe. Dezember 2003.
GRO-RHEI-KA Narrenzunft Prinzengarde 1895 e.V., Chronik der GRO-RHEI-KA Narrenzunft Prinzengarde 1895 e.V. Geschichte des Rheinbacher Karnevals von 1895 bis 2006.
Freiwillige Feuerwehr der Stadt Rheinbach, Festschrift des Löschzuges I zum 125jährigen Bestehen. Juni 2004.